Tuesday, March 25, 2008

"Voll schwul ey!"

"Was nicht der eigenen Facon entsprach, sollte rasiert werden. Und so geschah's, das wissen wir, und es traf auch die bürgerlichen Juden, welche glaubten, mit Antisemitischem könnten sie nicht gemeint sein. Das wiederum verhält sich auch bei der Schulhofrede gegen Homosexuelle so. Das darf man sich zumuten, hört man Jugendlichen in der Donauschule zu in Berlin-Neukölln und in der Rütlischule, der berühmten, ohnehin. Niemand dort, hat er oder sie auch nur den allerleisesten Selbstverdacht in dieser Hinsicht, gibt sich als schwul zu erkennen - besser nicht, bloß unversehrt bleiben -, aber der anders begehrende Mann beschäftigt die Fantasie krass. Schwul - das ist der Schwächere. Wer glaubt, es sei nicht so gemeint, will den hassenden Inhalt nicht sehen und verkleidet Verständnis für die armen Jungs in sozialpädagogische Rhetorik. Im wahren Leben ist es alles eben so gemeint. Und würde die Vokabel nicht schwul, sondern jüdisch lauten, wäre das Geschrei groß."



Jan Feddersen in der heutigen taz über das allgemeine Beschwichtigungsgeschwätz gegenüber wachsender Homophobie in gewissen Parallelgesellschaften.

Wednesday, March 19, 2008

Wider die Natur?

Der libertäre Theoretiker ("Das libertäre Manifest") Stefan Blankertz schreibt auf der Freiheitsfabrik zum in christlich-konservativen (und neuerdings auch in rechtslibertären) Kreisen immer wieder neu variierten "Widernatürlichkeitsargument" gegen Homosexualität:


"Das letzte Kapitel von Jörg Guido Hülsmanns Buch “Ordnung und Anarchie” (Grevenbroich 2007), “Wider die Homo-Ehe” (S. 133ff), reizt mich zu ein paar Bemerkungen. Guido wirft Ratzinger (zum Zeitpunkt des Verfassens noch Kardinal) vor, mit seiner Ablehnung der (staatlich sanktionierten) Homo-Ehe nicht weit genug gegangen zu sein, denn auch die heterosexuelle Ehe dürfe nur religiös, nicht aber staatlich abgesegnet werden. Es ist vollkommen unerheblich, ob Guido mit den Argumenten des Kardinals – im Wesentlichen die Leier von der Widernatürlichkeit der Homosexualität – sympathisiert oder nicht, denn solange er (bzw. der Kardinal) Homosexualität nicht (gesetzlich) verbieten will, ist libertär gesehen die Welt in Ordnung. Jeder Mensch hat das Recht, mit sich und mit zustimmenden Personen beliebig zu verfahren, ebenso wie jeder Mensch das Recht hat, Kritik zu üben, solange keine (gewaltsame resp. gesetzliche) Intervention vorgenommen wird.

Allerdings übersieht Guido meines Erachtens, dass die Kirche die gesetzliche Verweigerung der Homo-Ehe aus internen disziplinarischen Gründen braucht. Der Kardinal ist nicht nur “nicht konsequent” genug gewesen, um von der Ablehnung der staatlichen Homo-Ehe zur Ablehnung der staatlichen Ehe überhaupt zu gelangen, sondern er braucht den Unterschied: Es wären nämlich viele katholische Pfarrer bereit, homosexuelle Paare zu trauen. Wenn es keine staatlichen Eheregeln gäbe, an die sich das katholische Eherecht anlehnte, wäre das Sakrament gültig, unabhängig davon, ob es gegen Kirchenrecht verstößt. Denn dies ist eine der praktischen anarchischen Aspekte des Katholizismus, dass trotz der kirchlichen Hierarchie nicht einmal der Papst ein Sakrament aufheben kann, das eine kirchenrechtlich korrekt geweihte Person vornimmt. Sakramente kommen direkt von Gott, nicht vermittelt über die Kirchenhierarchie. Insofern würde die Aufhebung der staatlichen Eheregeln zugleich ein Zusammenbruch des innerkirchlichen Verbots von Homo-Ehe nach sich ziehen. Die Position des Kardinals ist also eine, die die Repression des Staates benutzt, um innerkirchliche Disziplinierung zu erreichen. Er denkt sehr konsequent. Konsequent machtpolitisch. Und nicht religiös. Leider.

Unabhängig davon ist die Rede von der Widernatürlichkeit der Homosexualität, wie sie der Kardinal bekräftigt hat, alles andere als katholisch.

1. Sofern mit “natürlich” gemeint ist: “kommt in der nicht-menschlichen Natur nicht vor”, ist Homosexualität nicht widernatürlich. Ein gutes Kompendium zu diesem Thema ist Volker Sommers “Wider die Natur: Homosexualität und Evolution” (er ist Theologe und Primatologe, Ausrichtung: Soziobiologie). Das wusste man auch schon im Mittelalter (z.T. allerdings mit fehlinterpretierten Beispielen, so wurden angenommen, Hasen würden auch homosexuell verkehren).

2. Eine Handlung ist nicht darum automatisch erlaubt, weil sie “natürlich” ist. Wenn Thornhill und Palmer Recht haben, dass Vergewaltigung eine “natürliche” (in der
nicht-menschlichen Natur regelmäßig vorkommende) Fortpflanzungsstratege ist (die Gleichsetzung von bestimmten Fortplanzungsstrategien mit Vergewaltigung ist allerdings zur Recht umstritten), dann würde trotzdem unter Menschen Vergewaltigung nicht zu rechtfertigen sein.

3. Viele Tätigkeiten des Menschen, wie z.B. das Schreiben, sind widernatürlich in dem Sinne, dass sie nicht in der übrigen Natur vorkommen.

4. Der Zölibat ist widernatürlich. Thomas von Aquin fragt deswegen auch fast verzweifelt, ob denn das Ideal der Jungfräulichkeit überhaupt erlaubt (!) sei. Er kommt zu dem Schluss: Ja mit starken Einschränkungen, und ja mit Gottes Hilfe. (Anmerkung: “Jungfräulichkeit” ist in diesem Zusammenhang kein Hinweis darauf, dass nie im Leben geschlechtlich verkehrt wurde. Viele mittelalterlichen “Jungfrauen” waren Witwen und Witwer, die viele Kinder gezeugt hatten. Genauso wie “zölibatär” in der 2. Hälfte des Mittelalters – in der ersten galt der Zölibat nicht durchgängig, er wurde erst im Laufe des 12. Jahrhunderts flächendeckend durchgesetzt – eher nur den Ausschluss von Verheiratung, nicht aber den Verzicht auf Geschlechtsverkehr bedeutete.)

5. Schon Augustinus wusste, wie stark der Geschlechtstrieb natürlicherweise ist: “Verbietet die Prostitution und die Welt wird im Chaos versinken.” Die mittelalterlichen Ärzte waren der Meinung, Enthaltsamkeit würde schwere, mitunter tödlich (!) verlaufende Krankheiten nach sich ziehen (so, und was ist dann an Wilhelm Reich so anstößig?). Nur speziell ausgewählte Personen, denen Gott gegen die Natur zu einem keuschen Leben verhülfe, seien ausgenommen.

6. Die Einschränkung von Sexualität auf Fortpflanzung ist eher evangelisch als katholisch, jedenfalls wenn ich hier ein wenig einseitig Thomas von Aquin als wichtigsten katholischen Kirchenlehrer einsetzen darf. Sterile Ehen sind gültig. Eine Ehe ohne Geschlechtsverkehr ist “eigentlich” ungültig – eine “Josephsehe” ist nur dann gültig, wenn sichergestellt ist, dass beide Partner aus freien Stücken dem Verzicht auf Geschlechtsverkehr zugestimmt haben. Der eheliche Geschlechtsverkehr ist nach Thomas der Urgrund der Ehe und Zeichen der Verbundenheit der Eheleute. Eine Gründung im Wunsch nach Fortplanzung besteht nicht, denn ob ein Kind gezeugt würde, läge sowieso in Gottes Hand. Das ist konsequent gedacht: Falls die Ehe nur auf Zeugung von Nachwuchs und der Sicherung von dessen Aufzucht gerichtet sei, so sagt Thomas ausdrücklich, dann müsste sie ja nach den Wechseljahren der Frau und dem Erwachsenwerden der Kinder aufhören zu bestehen. Naturrechtlich sieht Thomas das auch so – das Sakrament der Ehe geht allerdings über die Natur hinaus (und ist im Gegenzug dann aber nicht mehr universell gültig, sondern nur für die Gläubigen).

7. Was bedeutet das alles für die katholische Auffassung zur Homosexualität? Ich als Katholik und Thomist meine, dass die Pfarrer Recht haben, die homosexuellen Paaren den kirchlichen Segen geben. Sie sind die Träger des wahren Katholizismus."

Saturday, March 01, 2008

Hate-Crime-Welle in den USA

Christian Hoffmann von den radikalliberalen Paxxis über eine besonders schockierende Tat in einem in den USA derzeit grassierenden Klima der Intoleranz:

"DAS, verehrte PC-Verächter, ist der Grund, warum ich die Political Correctness als zivilisierenden Einfluss auf das gesellschaftliche Zusammenleben lobe. Wie sehr muss das Bewusstsein eines 14jährigen von Hass und Ressentiments durchtränkt sein, um ein harmloses Liebesgeständnis - sofern man es überhaupt als solches bezeichnen kann - zum Anlass zu nehmen, einen Menschen zu erschiessen? Wie sehr muss Homosexualität als etwas furchtbares, verächtliches, ja hassenswertes gesehen werden?

Und natürlich wird dieser Hass, werden diese Ressentiments durch Äusserungen erzeugt und gefüttert, die Homosexualität stigmatisieren, sie lächerlich machen, sie in den Schmutz ziehen. Eine Gesellschaft, die ein Interesse an einem offenen, friedlichen und zivilisierten Zusammenleben hat, muss darum Hass unmissverständlich entgegentreten, wo er sich äussert. Personen, die Hass gegen andere Individuen und Gruppen schüren, sollten von ihren Mitmenschen in ihre Schranken verwiesen, und ja, notfalls auch aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Jedesmal, wenn rechtskonservative Sesselpfurzer von dem “Recht” auf eine rassistische oder homophobe Gesinnung nölen, wenn sie sich darüber echauffieren, dass Dumpfbacken wie Martin Hohmann oder Eva Herman für verletzende Ausfälle kritisiert werden, sollte man ihnen die Bilder von Opfern wie Lawrence King entgegenhalten. Der Hass, der in den Köpfen beginnt, und sich über die Sprache fortpflanzt, tötet am Ende unschuldige Menschen.

Wer das nicht einsehen will, wer also darauf besteht, hasserfüllte Gedanken zu verbreiten, hat dazu sicher ein Recht - bei sich, in den eigenen vier Wänden, mit dem eigenen Eigentum. Aber er soll nicht erwarten können, von seinen Mitmenschen, der Gesellschaft Toleranz oder gar Akzeptanz zu erfahren. Im Gegenteil, er muss damit rechnen müssen, entschieden kritisiert und zurückgewiesen zu werden. Dieses zivilisatorische Grundverständnis ist es, das reaktionäre Kreise mit der vermeintlichen “Diktatur der Political Correctness” kritisieren."

Klare, wahre und richtige Worte!